Digitale Verwaltung: Nur jeder Siebte hat schon online einen Antrag gestellt
Die Bürgerinnen und Bürger haben im vergangenen Jahr Fortschritte bei der Digitalisierung der Verwaltung wahrgenommen, würden aber gerne viel häufiger auf den Gang aufs Amt verzichten und Angelegenheiten online erledigen. Erst 14 Prozent konnten bislang eine Verwaltungsleistung online beantragen, gerade einmal 23 Prozent füllten schon einmal ein Online-Kontaktformular bei einer Verwaltung aus. Zumindest die Terminvereinbarung für den Gang zur Behörde vor Ort wurde mit 61 Prozent von der überwiegenden Mehrheit genutzt. Dabei sind 71 Prozent der Menschen in Deutschland überzeugt, mit digitalen Behördengängen lasse sich Zeit sparen, 70 Prozent glauben, dass die meisten Behördengänge problemlos auch online erledigt werden können. Das sind Ergebnisse einer repräsentativen Befragung unter 1.007 Menschen in Deutschland ab 18 Jahren, die am heutigen Dienstag anlässlich der Smart Country Convention in Berlin vorgestellt wurde. Aktuell schätzen 40 Prozent den Digitalisierungsgrad ihrer Stadt oder Gemeinde als sehr (12 Prozent) oder eher (28 Prozent) fortgeschritten ein, 2020 waren es 37 Prozent. Als sehr rückständig bezeichnen ihn nur noch 22 Prozent, nach 28 Prozent 2020. Und 71 Prozent trauen ihrer Stadt- oder Gemeindeverwaltung einen kompetenten Umgang mit dem Thema Digitalisierung zu, 2020 waren es noch 64 Prozent. 87 Prozent fordern, dass ihre Stadt- oder Gemeindeverwaltung das Thema Digitalisierung mit mehr Nachdruck verfolgt. „Die Digitalisierung in Städten und Kommunen hat in den vergangenen Jahren Fortschritte gemacht, gleichzeitig sind die Erwartungen der Menschen gestiegen. Das Ziel muss sein, dass nicht nur online Termine vereinbart werden, sondern dass jede Verwaltungsleistung auch wirklich digital genutzt werden kann – und zwar so einfach und bequem wie Online-Shopping oder Online-Banking“, sagt Bitkom-Präsident Dr. Ralf Wintergerst. „Eine digitale Verwaltung ist kein Nice-to-have, sondern entwickelt sich insbesondere mit Blick auf den Kontakt zwischen Unternehmen und Verwaltungen zu einem wichtigen Standortfaktor und ist Grundlage für smarte Städte und Regionen. Die Smart County Convention zeigt, dass es nicht an funktionierenden digitalen Angeboten fehlt, es fehlt schlicht am Einsatz in der Fläche.“
Auf der Smart Country Convention in Berlin kommen vom 7. bis 9. November mehr als 12.000 Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Städten und Gemeinden zusammen. Ziel ist, die Digitalisierung der Verwaltung im Bund, in den Ländern und in den Kommunen zu beschleunigen und vor Ort nah an den Wünschen der Menschen umzusetzen. Zur Eröffnung sagt Bundesinnenministerin Nancy Faeser: „In der Verwaltung können wir die gemeinwohlorientierte Digitalisierung vorantreiben: um Menschen das Leben einfacher zu machen und Unternehmen die Arbeit zu erleichtern. Ich will, dass wir das Potenzial der Digitalisierung und der Daten in vollem Umfang nutzen – für einen modernen, bürgernahen Staat. Wir wollen den Menschen wertvolle Zeit sparen, der Zettelwirtschaft ein Ende bereiten, offene Daten nutzbar und die Verwaltungsarbeit transparent machen. Zukünftig können digitale Anträge deutschlandweit über das zentrale Bürgerkonto, die BundID, oder mit dem Online-Ausweis gestellt werden. Für Unternehmen wird es in Zukunft nur noch digitale Anträge geben. Wenn wir die Bürgerinnen und Bürger dafür gewinnen wollen, digitale Angebote der Verwaltung zu nutzen, müssen wir zugleich für die notwendige Informationssicherheit sorgen: gemeinsam und behördenübergreifend, mit klugen IT-Sicherheitskonzepten. Ich danke allen Beteiligten im Bund, den Ländern und Kommunen, die an diesem Ziel mitwirken für Ihre hervorragenden Ergebnisse und wünsche eine erfolgreiche SCCON.“
Als Smart-Country-Vorbild und Partnerland ist in diesem Jahr die Ukraine zu Gast auf der Smart Country Convention. Dr. Mario Tobias, CEO der Messe Berlin, sagt: „Die Smart Country Convention ist zu dem Treffpunkt für Expertinnen und Experten des Öffentlichen Sektors geworden. Erneut haben sich vier Bundesministerinnen und Bundesminister auf der SCCON versammelt. Allein das zeigt, dass die digitale Transformation der Verwaltung sowie das Thema smarte Stadt- und Regionalentwicklung in den Fokus der Politik gerückt ist. Wer mit der eigenen Stadt und Verwaltung den digitalen Anschluss nicht verlieren will, findet seine Zukunftslösungen auf der Smart Country Convention. Den Blick über den digitalen Tellerrand ermöglicht dabei nicht nur unser Partnerland, die Ukraine. Auch Vertreter aus anderen europäischen Ländern zeigen, weshalb die Digitalisierung des öffentlichen Sektors in ihren Ländern deutlich weiter ist, als bei uns.“
„Die ukrainische Regierung hat sich zum Ziel gesetzt, 100 Prozent der wichtigsten öffentlichen Dienste zu digitalisieren. Und selbst jetzt, wo der Krieg in vollem Gange ist, arbeitet die Ukraine weiter am Aufbau eines digitalen Staates“, sagt Maria Shevchuk, CEO IT Ukraine. „Das Ministerium für digitale Transformation startet fast jede Woche neue Online-Dienste, obwohl es ständig von Russland aus angegriffen wird. Diia ist dabei unser One-Stop-Shop für öffentliche Dienstleistungen und digitale Dokumente. Auf der Smart Country Convention zeigt die Ukraine eine Vielzahl an innovativen digitalen Anwendungen für Verwaltungen, den öffentlichen Sektor, Städte und Gemeinden.“
Für den Personalausweis will kaum noch jemand aufs Amt
Viele Menschen wünschen sich, Verwaltungsleistungen online erledigen zu können und nicht mehr aufs Amt zu müssen. 81 Prozent würden ihren Personalausweis lieber online beantragen oder verlängern, nur 16 Prozent bevorzugen es vor Ort. Ähnlich sieht es aus beim Anwohnerparkausweis (79 Prozent online, 14 Prozent vor Ort), bei der Kfz-Zulassung (75 Prozent online, 19 Prozent vor Ort), der Wohnsitzmeldung (67 Prozent, 25 Prozent), der Meldung von Mängeln im öffentlichen Raum (67 Prozent, 28 Prozent), der Ausstellung von Meldebestätigungen (66 Prozent, 27 Prozent), der Beantragung eines Führerscheins (64 Prozent, 32 Prozent) sowie der Ausstellung einer Geburtsurkunde bzw. -bescheinigung (60 Prozent, 34 Prozent) oder eines polizeilichen Führungszeugnisses (59 Prozent, 33 Prozent). Eine knappe Mehrheit bevorzugt den Online-Kontakt zudem bei der Beantragung von Sozialleistungen (54 Prozent online, 43 Prozent vor Ort), ausgeglichen ist es dagegen bei der Beantragung von Familienleistungen (je 44 Prozent online und vor Ort).
Eine polizeiliche Anzeige möchten dagegen 52 Prozent vor Ort erstatten, nur 44 Prozent online. Eine Unternehmensanmeldung bevorzugen 48 Prozent vor Ort, 39 Prozent online und eine Baugenehmigung wollen 46 Prozent vor Ort beantragen, nur 36 Prozent online. Und die Eheschließung wollen sogar nur 26 Prozent online beantragen, 64 Prozent vor Ort – und die Scheidung würden 26 Prozent online bevorzugen, 56 Prozent vor Ort. „Je einfacher eine Verwaltungsleistung ist, umso mehr Menschen möchten sie online erledigen. Und je tiefer die Entscheidung ins persönliche Leben eingreift und je emotionaler die Angelegenheit ist, desto stärker ist der Wunsch nach einem persönlichen Besuch in der Behörde“, sagt Bitkom-Präsident Wintergerst. „Wir brauchen Wahlfreiheit der Bürgerinnen und Bürger für jede Verwaltungsleistung: Will ich sie online erledigen oder persönlich vor Ort? Wer sich für die Online-Variante entscheidet, entlastet damit die Behörden, die mehr Zeit für die Beratung in schwierigeren Angelegenheiten haben.“
Viele digitale Verwaltungsangebote sind unbekannt
Noch sind viele digitale Verwaltungsangebote den Menschen völlig unbekannt. Am bekanntesten ist die digitale Steuererklärung über Elster, die 25 Prozent bereits genutzt haben, 48 Prozent zumindest kennen und nur 22 Prozent unbekannt ist. Ebenfalls gute Bekanntheit genießt ansonsten nur der digitale Personalausweis bzw. Online-Ausweis, von dem nur 27 Prozent noch nie gehört haben, den aber 12 Prozent nutzen und der 56 Prozent bekannt ist. Die Online-Übersicht zur gesetzlichen Rente unter rentenuebersicht.de kennen 42 Prozent nicht, nur 6 Prozent nutzen sie und 46 Prozent haben zumindest davon gehört. Dagegen sind andere Angebote einer teilweise deutlichen Mehrheit völlig unbekannt, etwa Mängelmelder für Schäden und Probleme im öffentlichen Raum (57 Prozent kennen das Angebot nicht, 8 Prozent nutzen ), Konten auf der Website der Kommune oder des Bundeslandes (68 Prozent kennen es nicht, 3 Prozent nutzen es), Gesetzgebungsportale (70 Prozent kennen sie nicht, 3 Prozent nutzen sie) oder die Bund-ID bzw. Nutzerkonto Bund (73 Prozent kennen es nicht, 6 Prozent nutzen es). „Das Beispiel Elster zeigt, was eine digitale Verwaltungsleistung braucht, um erfolgreich zu sein: Sie muss bekannt sein, wobei ein eingängiger Name hilft. Sie muss funktionieren und einen ganz konkreten Vorteil für die Bürgerinnen und Bürger liefern, zum Beispiel eine schnellere Bearbeitung und den Verzicht auf jedwedes Papier“, so Wintergerst. „Elster zeigt auch, dass ein zentraler Ansatz, bei dem nicht jedes Bundesland, jede Stadt und jede Gemeinde eine eigene Lösung entwickelt, hilfreich ist. Durch offene Schnittstellen kann sich ein ganzes Ökosystem rund um Verwaltungsleistungen entwickeln und es entsteht ein echter Mehrwert für die Menschen und Unternehmen vor Ort.“
Fragt man zum Beispiel die Nutzerinnen und Nutzer des digitalen Personalausweises nach ihren Erfahrungen, dann fallen diese durchaus positiv aus. Jeweils 61 Prozent würden ihn gerne in Zukunft häufiger nutzen, auch außerhalb der Verwaltung etwa beim Check-in im Hotel oder beim Gaming. Nur 30 Prozent der Nutzerinnen und Nutzer meinen, dass die Verwendung zu kompliziert sei. Und rund die Hälfte (53 Prozent) hat schon einmal die PIN vergessen und konnte ihn deshalb nicht benutzen.
Digitalisierung als Antwort auf die Herausforderungen von Städten und Gemeinden
Fragt man die Menschen, wo sie in ihrem direkten Umfeld Verbesserungsbedarf sehen, ergibt sich eine lange Liste. Ganz oben steht das Thema Wohnen (94 Prozent), dahinter folgen Bildung (88 Prozent) und Soziales (87 Prozent) sowie Verkehr (82 Prozent) und Gesundheit (81 Prozent). Aber auch bei Umwelt (76 Prozent), Sicherheit (72 Prozent), Verwaltung (70 Prozent), Handel- und Gastronomie (69 Prozent) sowie Wirtschaft allgemein (68 Prozent) werden Verbesserungen erwartet. Am unteren Ende rangieren die Telekommunikationsinfrastruktur (66 Prozent) und Arbeitsmarkt (59 Prozent). „Bei der Bewältigung praktisch aller Herausforderungen kann Digitalisierung einen wichtigen Beitrag leisten – auch deshalb sind Smart Cities und Smart Regions so wichtig“, so Wintergerst. „Digitalisierung in Städten und Gemeinden bedeutet auch die Vernetzung von Mobilität, Energie, digitalen Gesundheitslösungen, Nachhaltigkeit, Bildung und Weiterbildung mit dem Ziel, das Leben der Menschen zu verbessern und Unternehmen leistungsfähiger zu machen.“
Smart Country Convention zeigt digitale Lösungen für den Public Sector
Die Digitalisierung von Verwaltungen, Städten und Gemeinden ist das zentrale Thema der Smart Country Convention. Unter dem Motto „Stadt.Land.Tech“ werden auf vier Bühnen und der Expo Chancen und Möglichkeiten der Digitalisierung im öffentlichen Sektor aufgezeigt. Für die Bundesregierung sind vier Kabinettsmitglieder dabei. Eröffnet wird die Veranstaltung von Bundesinnenministerin und Schirmherrin Nancy Faeser. Sprechen werden außerdem Bundesjustizminister Marco Buschmann, Bundesbauministerin Klara Geywitz und Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir. Informationen zu Programm, Ausstellern und Teilnahme gibt es unter www.smartcountry.berlin.